Leistungs- und Durchhaltewille zählen in der Aus- und Weiterbildung

Nicht (nur) auf die schulischen Leistungen kommt es an. Mit Engagement und Durchhaltewillen zum beruflichen Ziel 

Oliver Milutinovic, Berufs-, Studien- und Laufbahnberater

Für Schülerinnen und Schüler mit besonderem Bildungsbedarf birgt die obligatorische Schulzeit viele Herausforderungen. Die Erfahrung, den Anforderungen nicht zu genügen, auf zusätzliche Unterstützung angewiesen zu sein und in die Oberstufe mit den tiefsten schulischen Anforderungen eingestuft zu werden, kann prägend sein. Darum kann der darauffolgende Einstieg in die Berufswelt das Selbstvertrauen stärken und ungenutzte Potenziale zur Entfaltung bringen. 

In der Arbeitswelt können sich die Jugendlichen in einem neuen Lernumfeld bewegen und die bisher erworbenen Kompetenzen weiterentwickeln. Dabei übernehmen sie Verantwortung und leisten mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag für den Lehrbetrieb. Die Tatsache, gebraucht und für das Geleistete geschätzt zu werden, stärkt das Selbstwertgefühl in hohem Masse und beeinflusst die persönliche Entwicklung. Damit dies gelingen kann, sind alle Akteure gefordert, ihren Part dazu beizutragen und die nötigen Vorkehrungen zu treffen. 

Vom Berufsattest zum Fähigkeitszeugnis
2004 wurde die zweijährige berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Berufsattest (EBA) eingeführt. Dieser Abschluss auf Sekundarstufe II richtet sich hauptsächlich an praktisch begabte Jugendliche und bietet die Anschlussmöglichkeit für ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder teilweise auch den Zugang zur höheren Berufsbildung. Das Prüfen der Anforderungen im jeweiligen Beruf, eine adäquate Selbsteinschätzung sowie Rückmeldungen seitens Lehrpersonen, Coaches und Ausbildungsverantwortlichen helfen bei der Entscheidung mit einem EBA zu starten. 

Sinnvolle Zwischenschritte einlegen
Womöglich gelingt der Einstieg nicht gleich im Anschluss an die Oberstufe. Das kantonale Brückenangebot bietet die Gelegenheit, im Kombinierten Brückenangebot (KBA) Arbeitserfahrungen in Form von Praktika zu sammeln. Die Jugendlichen arbeiten in einem Betrieb und besuchen daneben den Unterricht an der Berufsschule. Es gibt das KBA in zwei schulischen Niveaus, insbesondere das KBA B ist auf Schülerinnen und Schüler mit schulischen Lücken ausgerichtet und umfasst zwei Tage Unterricht.

Ein weiteres Angebot bietet das Motivationssemester «Kompass» in Goldau. Hierbei erhalten Jugendliche intern die Möglichkeit, Arbeitserfahrungen zu sammeln und Feedback zu erhalten. Sie werden dabei gecoacht und bei der Organisation von Schnupperlehren und dem Bewerbungsschreiben unterstützt. Eine Teilnahme an diesem Programm wird von den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) vermittelt. 

Rechtzeitig Hilfe holen
Eine von Vertrauen und Wohlwollen geprägte Beziehung zur Ausbildungsperson und die Sensibilität für die Themen der Jugendlichen stellen die Weichen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Dennoch können Schwierigkeiten und/oder unvorhergesehene Ereignisse einschneidende Folgen haben, für deren Bewältigung eine professionelle Begleitung helfen kann. 

«Job Caddie» bietet ein kostenloses Mentoring für Jugendliche und junge Erwachsene mit Schwierigkeiten in der Berufslehre und beim Berufseinstieg. Erfahrene Berufspersonen begleiten und unterstützen sie dabei auf freiwilliger Basis. In diesem Jahr wurde neu eine Geschäftsstelle im Kanton Schwyz und der Region Oberer Zürichsee eröffnet (siehe weiterführende Links). 

Schliesslich gibt es auch noch «Die Nummer bei Kummer»: Dieses Angebot vom Amt für Berufsbildung richtet sich an Lernende mit Ausbildungsort im Kanton Schwyz und Schülerinnen und Schüler der Brückenangebote und BM 2 mit Wohnort im Kanton Schwyz. Es kann auch von Berufsbildnerinnen / Berufsbildnern, Lehrkräften und Eltern bei Konflikten und Herausforderungen in Zusammenhang mit der Berufslehre kostenlos in Anspruch genommen werden.

Dranbleiben – Wie der Berufseinstieg trotz Hindernissen gelingen kann
Giulia Rogge (19) aus Küssnacht befindet sich zurzeit im 1. Lehrjahr als Detailhandelsassistentin EBA. Der Weg dahin verlief nicht gradlinig und dauerte länger als gewünscht. Dennoch hielt sie an ihrem Ziel fest und schaffte den Einstieg in die Berufswelt – eine Erfolgsgeschichte. 

Interview mit Giulia Rogge, Lernende Detailhandelsassistentin EBA aus Küssnacht:

Würden Sie die Verkaufstheke mit der Schulbank tauschen wollen, um wieder Schülerin zu sein?

Jein. Ehrlich gesagt gibt es schon auch Tage, an denen ich tauschen würde, aber das kommt selten vor. Als Lernende kann ich viele Aufgaben selber machen und Verantwortung übernehmen. Es ist abwechslungsreich und man sitzt nicht den ganzen Tag in einem Klassenzimmer und bekommt ständig etwas zu hören. 

Welche Erinnerungen aus der Schulzeit sind Ihnen geblieben?

Ich nehme tolle Erinnerungen aus der Oberstufenzeit mit. Die Zeit während der Unterstufe war ganz okay. Ich würde aber nicht zurückkehren wollen. 

Spätestens ab der 2. Oberstufe begann die Erkundung der Berufswelt. Wie verlief Ihr Berufsfindungsprozess?

Langwierig. Ich habe verschiedene Berufe angeschaut und mehrmals geschnuppert: Vom Detailhandel zur Bäckerin, bis hin zur Coiffeuse und zur Unterhaltspraktikerin. Dennoch erhielt ich keine Lehrstellenzusage. 

Was denken Sie, wieso klappte es nicht auf Anhieb?

Obwohl ich oft schnuppern war und überdurchschnittlich gute Leistungen in der Werkschule zeigte, hatte ich das Gefühl, dass ich es bei der Selektion schwieriger hatte als Real- und Sek-Schülerinnen und -Schüler. Das war bei den meisten Lehrbetrieben auch die Begründung – sie glaubten nicht, dass ich es als Werkschülerin packen würde. 

Nach der obligatorischen Schulzeit besuchten Sie zuerst das kantonale Brückenangebot in Pfäffikon. Allerdings klappte es auch dann nicht mit einer Lehrstellenzusage. Warum?

Genau. Da ich mich auch für Textilien und Nähen interessiere, konnte ich während dieser Zeit Praktika in der Textilbranche absolvieren und so erste Arbeitserfahrungen sammeln. Leider konnte ich bei diesen Betrieben keine Lehrstelle finden und hatte beim weiteren Bewerben mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen, wie ein Jahr zuvor. 

Wie ging es danach für Sie weiter?

Ich meldete mich beim RAV und konnte so am Motivationssemester «Kompass» teilnehmen. Dort wurde ich von einer Coachin eng begleitet und unterstützt, so dass es dann mit der Lehrstellenzusage als Detailhandelsassistentin EBA geklappt hat. 

Sie haben in verschiedenen Berufen geschnuppert. Weshalb haben Sie sich für die Berufslehre als Detailhandelsassistentin EBA entschieden?

Eigentlich war das nicht von Anfang an der Plan. Mit der Zeit merkte ich aber, dass es auf den Betrieb ankommt und vor allem auf ein gutes Team, auf das man zählen kann. Letztendlich ging alles sehr schnell und ich bin froh, meine Berufslehre als Detailhandelsassistentin absolvieren zu können. 

Wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag aus?

Es kommt darauf an, ob ich in der Früh- oder Spätschicht arbeite. Grundsätzlich übernehme ich Aufgaben in der Reinigung, an der Theke oder im Lager. Wäsche machen, Putzen, Brotgestelle auffüllen, Bedienen oder Mithilfe bei der Umgestaltung gehören zu meinem Aufgabenbereich. 

Welche Aufgaben erledigen Sie besonders gerne und welche eher weniger?

Am liebsten bediene ich die Leute, da ich den Kundenkontakt gerne habe. Aber auch Aufgaben im Team erledige ich gerne. Eigentlich mache ich alles gerne, abgesehen vom Putzen (lacht). 

War es für Sie eine zusätzliche Herausforderung, die Berufslehre in einem Nachbarskanton zu absolvieren?

Nein. Ich hatte das Gefühl, dass im Kanton Schwyz die Schulnoten besonders stark zählen. Diese Meinung teilten auch Mitschülerinnen und Mitschüler, die gute Schnupperlehren absolvierten, aber ebenfalls aufgrund der Schulnoten bei der Lehrstellenvergabe nicht berücksichtigt wurden. So habe ich von Anfang an in Betrieben der Nachbarskantone geschnuppert. Abgesehen davon macht es mir nichts aus, dass der Arbeitsweg etwas länger dauert.   

Was hat Ihnen rückblickend besonders geholfen, Ihr Ziel zu erreichen?

Die Unterstützung meiner Coachin, meiner Freunde und meiner Familie hat mir sehr geholfen. Es gab Phasen voller Zweifel und Enttäuschungen. In solchen Situationen braucht man Menschen, die einem zur Seite stehen und Mut machen. 

Was braucht es Ihrer Ansicht nach, um den Einstieg in die Berufswelt erfolgreich zu meistern?

Motivation und echtes Interesse an den Berufsmöglichkeiten. Das zeigt sich während der Schnupperlehren. Ausserdem finde ich es wichtig, dass man offen und ehrlich auch über vielleicht unangenehmere Themen spricht und die Leute aufklärt, weshalb man beispielsweise nicht so gute Noten hatte und woran man arbeitet. 

Und zum Schluss: Wie sehen Ihre weiteren Schritte aus?

Ich möchte nach meiner EBA-Ausbildung zwei weitere Jahre absolvieren, um das eidgenössische Fähigkeitszeugnis EFZ zu erlangen, da ich so noch mehr Möglichkeiten und bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalte. Bis dahin bleibt noch genug Zeit um sich Gedanken zu machen, in welche Richtung es danach gehen soll.  

Weiterführende Links: 

www.anforderungsprofile.ch
www.bbzp.ch/Bruckenangebot/Kombiniertes-Bruckenangebot
www.kompass-goldau.ch
www.jobcaddie.ch
www.bbzp.ch/Schulbetrieb/Kontakt-und-Anlaufstellen-fur-Jugendliche

Montags-Coaching:
www.sz.ch/berufsbildung

Amt für Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung

BIZ Pfäffikon – BIZ Goldau – BIZ Einsiedeln

www.sz.ch/biz