Direkt Hilfsgüter für die Ukraine ausgeliefert

Direkte und effiziente Hilfe in der Ukraine.
«An der Grenze fühlt man den Krieg»

Textauszug aus Obersee Nachrichten vom 24. März 2022, Autor Michel Wassner.
Fotos © Andreas Kümin

Mit einer spontan organisierten Hilfsaktion konnte Andreas Kümin schon viele Geflüchtete aus der Ukraine unterstützen. Jetzt war er selbst vor Ort. Schätzungsweise 3,2Millionen Menschen sind bis Mitte· März vor dem Krieg in der Ukraine geflohen. Andreas Küniin, Unternehmer aus Wollerau und Inhaber von Mc· PaperLand, sah die Bilder, entschied spontan zu helfen. Innert kürzester Zeit gleiste et ein Projekt auf und versorgt Flüchtlinge an mittlerweile drei Orten: «Wir sind aktiv an den beiden rumänischen Orten Milişăuţi an der ukrainischen und Victoria an der moldawischen Grenze. Ausserdem unterstützen wir das Auffangzentrum in Iaşi, ebenfalls. an der Grenze zu Moldawien.» 

Kümin war selbst vor Ort, nahm sich Zeit für ein Telefonat und erklärt: «Die, die am schwächsten sind, können in Victoria bleiben. Dort haben wir in der. Turnhalle mit Spenden Schlafplätze und eine Erstversorgung eingerichtet.» Ein Grossteil der Menschen aber wolle so weit weg wie möglich. Sie werden zu Bahn, Bus oder Flughafen gebracht. Die, die nicht wollen oder können, bringt man vorübergehend in Iaşi unter, in einem mehrstöckigen Industriegebäude. 

Krieg ist rund um die Uhr
Am 24. Februar griff Russland die Ukraine an. Seit einem Monat herrscht Krieg. Ein abstraktes Konzept vermittelt durch TV, Internet, Zeitungen. Vor Ort ist alles konkret. «Dort an der Grenze fühlst du den Krieg. Ich hätte mir das vorher gar nicht vorstellen können.» Andreas Kümin, der Gemeindepräsident von Victoria, Geflüchtete: «Nur schon als ich Schokolade verteilte, flossen gleich die Tränen». Die Menschen erlebt er traurig, traumatisiert, unendlich dankbar. Geflüchtete in einer Sporthalle im rumänischen Milişăuţi. «Aber sie stehen natürlich alle unter extremem Druck, es kommt zu Konflikten.» Was bisher kaum thematisiert wird, ist die Pandemie. «So viele Menschen auf engem Raum. Viele haben gehustet», – erzählt Kümin. Abstände und Hygienemassnahmen einzuhalten sei nur schwer bis gar nicht möglich … «Deshalb ist es so wichtig, die Leute möglichst bald besser unterzubringen.» Zustände, die auch dem Unternehmer stark zusetzen. Am Telefon klingt er müde. «Ich bin erschöpft, habe sehr wenig geschlafen. Es gibt so viel zu tun. Krieg ist 24 Stunden. Die Menschen kommen laufend. Alles muss rund um die Uhr funktionieren.» 

Bis zum Umfallen
Was Andreas Kümin schockiert hat, ist die unglaubliche Menge an Flüchtenden. «Auf der einen Seite sieht man all diese Leute, die ankommen. Die pure Masse überwältigt einen. Aber auf der anderen Seite darf man auch nie vergessen: Das sind alles Einzelschicksale.» Irgendwann beginne man, sagt er, die Leute nicht mehr direkt anzusehen. «Denn sobald du ihnen in die Augen geschaut hast, haben sie begonnen zu weinen. Und dann könnte man gleich mitheulen.» Kümin erzählt von der Begegnung mit einer Familie in Victoria. Vier Generationen sassen da neben ihm. «Nur schon als ich die mitgebrachte Schokolade auspackte, flossen die Tränen. Es war sehr rührend.» Damit umzugehen, ist dem Wollerauer schwergefallen. Aber schlussendlich braucht man einfach einen klaren Kopf, um handeln zu können. Und helfen und handeln wollen alle. Die Solidarität ist riesig. «Die Regionen, in denen wir uns engagieren, sind zum Teil selbst mausarm, und trotzdem ist jeder, der noch ein paar Äpfel hatte, an die Grenze gegangen und hat die verteilt.» Auf der anderen Seite hat Kümin aber auch gesehen, dass viele der Helfenden vor Ort mittlerweile überfordert sind, müde und ausgebrannt. «Die Freiwilligen sind zum Teil Studenten und die arbeiten, bis sie umfallen.» 

Die grosse Angst
Eine Idee, die Andreas Kümin von Anfang an hatte: möblierte Appartements in der Region mieten, Plätze in günstigen Pensionen oder Hotels, um die Geflüchteten in Rumänien sicher unterzubringen. «Wir haben schon viele Zimmer zu günstigen Konditionen gemietet, doch es braucht noch mehr. Und die Leute müssen auch versorgt werden.» Wer vor allem bleiben wolle, seien alte Menschen oder Familien mit vielen Kindern. Die Angst, der Krieg könne sich ausweiten, ist derweil omnipräsent. «Ich habe versucht, rnit den Menschen über dieses Thema zu sprechen; aber die haben- gleich, dichtgemacht. Sie befürchten das Schlimmste. Die umkämpften Gebiete werden immer grösser und der Krieg rückt mehr und mehr in Richtung Westen.» Sowohl in in Moldawien wie auch in Rumänien gehe die Angst um. Die Angst, dass Putin weitermacht. Denn, auch das erfuhr Kümin durch Gespräche vor Ort: «Geflüchtete haben mir erzählt, sie hätten das Land verlassen, solange das noch möglich ist. Denn Putin will natürlich nicht, dass alle Ukrainer flüchten. Was nützt ihm ein Land ohne Menschen?»

Kontinuierliches Engagement
Andreas Kümin hat Rumänien mittlerweile wieder verlassen, bleibt aber laufend mit den Verantwortlichen in Kontakt und koordiniert die Massnahmen. «Entscheidend ist jetzt vor allem kontinuierliche Hilfe. Wir müssen weitermachen.» Was in Rumänien aktuell befürchtet wird: Jetzt am Anfang kommen alle und wollen helfen. In ein, zwei Wochen gehen die Freiwilligen wieder heim, die Katastrophe gerät in Vergessenheit. «Darum ist die Kontinuität so wichtig», sagt Kümin und betont ausserdem: «Es werden zu viele Leerläufe produziert.» Er nennt das «gut gemeint und falsch gemacht». Hilfe müsse richtig überlegt, geplant und koordiniert sein. Ein wesentlicher Aspekt, der entscheidend sein wird auch für die nächsten Monate. Am Ende des Gesprächs nennt Kümin noch eine erfreuliche Zahl. Knapp 100 000 Franken an Spendengeldern gingen bis jetzt bei seiner Stiftung ein (neuer Stand bis 27.4.2022 = 200 000). Die Beträge gehen von 12 bis 25 000 Franken. «Ein grosses Dankeschön an alle.» Wichtig ist ihm ausserdem zu betonen: «Wir verteilen dort kein Geld. Wir kaufen Leistungen oder Produkte und zahlen die Lieferanten und Unternehmen direkt.» All dessen ungeachtet geht der Krieg weiter. Es braucht weiterhin Unterstützung. «Wir sind noch nicht fertig. Das muss klar sein.»

Spenden möglich über www.daniel-center.ch