Wenn bei uns die Licher flackern

Beispiel ineffiziente Energiestrategie 2050.
Windkraftnutzung erst ab Windgeschwindigkeit 8 m/s attraktive Stromausbeute.
Darunter (wie fast überwiegend in der Schweiz, keine Anlagenauslastung gewährleistet).

Windatlas Schweiz 2019, BFE, Geodaten 9.1.19

Energiestrategie Schweiz 2050, heute noch relevant?
Wenn die Lichter zu flackern beginnen …

Gastbeitrag von Lukas Weber, El.-Ing. ETH, ist freier Publizist und Inhaber der Beratungsfirma Agentur E GmbH.

Die Strompolitik der Schweiz schaltet seit ihrer Energiestrategie in den Blindflug. Mit der «Energiewende» steuert die Schweizer Energiepolitik auf einen Abgrund zu. Es ist mit steigenden Energiekosten, Schäden an der allgemeinen Wohlfahrt und Mangelversorgung zu rechnen.

Die Ausrichtung der schweizerischen Energiepolitik auf eine «Energiewende» und der Verzicht auf eigene Kernkraftwerke haben eine lange Vorgeschichte. Die von Bundesrat, Parlament und am 21. Mai 2017 vom Volk angenommene Revision des Energiegesetzes (Energiestrategie 2050, erstes Massnahmenpaket), wonach die Schweiz schrittweise aus der Kernenergie aussteigen soll, geht oberflächlich betrachtet auf den Reaktorunfall von Fukushima 2011 zurück. Bei genauerem Hinsehen reicht sie bis zum Reaktorunglück in Tschernobyl 1986 zurück. Der tiefere Auslöser waren aber die 1968er Bewegung mit ihren industrie- und zivilisationsfeindlichen Parolen und die aus ihr hervorgegangene Ökologiebewegung.

Kritik der Grosstechnologie
Ein Meilenstein war das Buch «Die Grenzen des Wachstums» (1972), in dem etablierte Wissenschafter, unterstützt von Wirtschaftsführern, ein weiteres Wirtschaftswachstum als für Natur und Mensch katastrophal einschätzten. Ein Jahr später erschien die Publikation «Small is Beautiful» des Ökonomen Ernst Friedrich Schumacher, eine Kritik der Grosstechnik, zu der die Kernenergie bekanntlich zählt. Beide Bücher stiessen in Westeuropa auf grosse Resonanz. Ihre Botschaft war, dass die abendländische Zivilisation und Technik eigentlich zerstörerische Kräfte seien, von denen die Menschheit Abschied nehmen sollte. Aus diesem Geist ging die Anti-Atomkraft-Bewegung hervor, die wiederum den Weg für die «Energiewende» ebnete, die heute stattfindet.

So sind in der Schweiz von 1979 bis 2016 fünf Volksinitiativen zum Ausstieg aus der Kernenergie zur Abstimmung gekommen, die allesamt abgelehnt wurden. Vor drei Jahren stimmte das Volk dann einem Plan des Bundesrats zum schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie (Energiestrategie 2050) zu. Damit hatte die seit Jahrzehnten wogende Brandung gegen die Kernenergie ihr Ziel erreicht.

Beträchtliche Vorarbeit leistete die Aufnahme des vom Bundesrat vorgeschlagenen und 1990 vom Volk angenommenen Energieartikels in die Bundesverfassung, wonach Bund und Kantone sich «für eine ausreichende, breit gefächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung sowie für einen sparsamen und rationellen Energieverbrauch» einsetzen müssen. Auf dieser Verfassungsgrundlage wurden neue Gesetze geschaffen, wonach die erneuerbaren Energien ausgebaut und der Energieverbrauch sowie der CO2-Ausstoss gesenkt werden müssen. Die Elektrizitätsversorger wurden verpflichtet, unregelmässig anfallenden Strom aus Sonne und Wind abzunehmen und grosszügig zu vergüten, die Konsumenten, auf den CO2-Ausstoss eine hohe Abgabe zu entrichten.

Mit der Annahme des revidierten Energiegesetzes von 2018 wurden die Schrauben weiter angezogen. Eine Erhöhung der CO2-Abgabe einschliesslich einer weiteren Anhebung des Benzinpreises, der Einführung einer Flugticketabgabe von 30 bis 120 Franken pro Ticket und der Erhöhung der CO2-Abgabe auf Brennstoffe von 120 auf 210 Franken pro Tonne CO2 und ein praktisches Verbot neuer Ölheizungen, so wirkungslos diese Eingriffe für die weltweite Klimaentwicklung auch sind, werden zurzeit vom Parlament beraten und voraussichtlich gutgeheissen.

Keine Kapazität bei den Nachbarn
Dessen ungeachtet ist unsere Stromversorgung heute grossen und gänzlich unbeantworteten Herausforderungen ausgesetzt. Es drohen Strommangel und Stromausfälle, besonders im Winter, wenn die Nachfrage hoch und die erneuerbare Produktion gering ist. Unsere Nachbarländer, die ebenfalls eine Energiewendepolitik verfolgen, sind immer weniger in der Lage, die ungenügende Produktion in der Schweiz durch Stromlieferungen auszugleichen, da sie zur selben Zeit unter Stromknappheit leiden und ihre gesicherten Produktionskapazitäten selbst abbauen.

Die schweizerischen Stromerzeugungsunternehmen haben bei der heutigen Gesetzeslage kein Interesse daran, zugunsten der Versorgungssicherheit in neue Kraftwerke zu investieren. Ihnen drohen wegen anhaltend tiefer Strommarktpreise, die von der Energiewendepolitik mit verursacht sind, Konkurs und Verstaatlichung. Die Regulierungsbehörde des Bundes (Elcom) weist in zunehmend scharfem Ton warnend darauf hin, dass Handeln dringend notwendig sei – zuletzt in ihrem Bericht «Stromversorgungssicherheit der Schweiz 2020» –, während die politische Behörde, das Bundesamt für Energie (BfE), das über Jahre für eine Energiewende geworben hat, den Ernst der Lage ignoriert und von den Problemen ablenkt.

Absehbare Ernüchterung
Die schweizerischen Strompreise, heute schon ein Viertel über dem europäischen Durchschnitt, drohen stark anzusteigen, so wie diejenigen Deutschlands seit dessen Energiewende bereits gestiegen sind, nämlich vom Mittelfeld an die Spitze. Der Bundesrat möchte entgegen einem früheren Versprechen die Subventionen für erneuerbare Stromerzeuger verlängern. Zeitlich schwankende Strompreise anstatt fester Tarife, durch die bei Lieferengpässen ein grossflächiger Stromausfall verhindert werden soll, können zu bisher ungekannten Preisspitzen und für Verbraucher, die diese nicht bezahlen können, zu unfreiwilligem Stromverzicht führen. Offene Fragen sind zudem die vollständige Marktöffnung, ein Stromabkommen mit der Europäischen Union und die Zukunft der Stromnetztarife bei steigendem Eigenverbrauch privater Stromerzeuger (z. B. Hausbesitzer mit Photovoltaikanlage).

Die Kluft zwischen den gegenwärtigen energiepolitischen Prioritäten und den tatsächlichen Herausforderungen für die Stromversorgung lässt die Frage aufkommen, wie eine gute Energiepolitik denn aussehen würde. Eine «Energiewende» wird sich, wie sich heute bereits abzeichnet, als nicht zu Ende gedacht, sehr teuer und für die Wohlfahrt zerstörerisch herausstellen. Das Ziel müsste eine Energiepolitik sein, die der allgemeinen Wohlfahrt dient und die berechtigten Interessen der Konsumenten – eine sichere und kostengünstige Energieversorgung – sowie der Versorger – grösstmögliche unternehmerische Freiheit und Hilfe bei unverschuldeter Not – in den Mittelpunkt stellt.

Liberale Grundsätze
Als Richtschnur bieten sich liberale staatspolitische Grundsätze an, von denen sich die Energiepolitik seit Jahren immer weiter entfernt: eine privatwirtschaftlich erbrachte Stromversorgung, staatliche Eingriffe nur bei Gefährdung der Versorgungssicherheit, Stromabgaben nur, wenn diese den Markt nicht merklich verzerren, und Verhältnismässigkeit bei der Feststellung eines nationalen Interesses und der Einschränkung persönlicher Rechte.

Eine solche Energiepolitik erscheint heute ausser Reichweite. Ernste Versorgungsprobleme und wachsende Schäden an der allgemeinen Wohlfahrt könnten aber schon bald zu Ernüchterung führen und die Türen zu einer zweckmässigen und besonnenen Energiepolitik wieder öffnen.

Anmerkung Redaktion Schwyz-Infra.ch
Der Schwyzer Weg der Energiestrategie geht weg von ursprünglichen Planungen für mehr Windkraft hin zu einem klaren Bekenntnis für energieeffiziente und umweltschonende Massnahmen. Der Ausstieg aus fossilen und atomaren Brennstoffen ist beschlossene Sache. Damit fällt jedoch die Grundlastsicherung von 100 auf maximal noch 30 Prozent. Das ist zu wenig, um den aktuellen pro Kopf-Verbrauch von nahezu 7000 Watt pro Haushalt zu decken. Ziel ist zwar, den Primärenergieverbrauch zu senken, doch der Anstieg des elektrischen Energiebedarfs gleicht das aus. Alternativen sind der Ausbau von Wasserkraftwerken, die Verbrennung von Abfallholz (Agro Energie Schwyz) und Gas in modernen «Schattenkraftwerken». Der Begriff bezeichnet Energiekraftwerke, die es zur Pufferung von nicht verfügbaren regenerativ erzeugtem Ökostrom benötigt (Nacht/Sonnenkollektoren, Windstille/Windkraftwerke). Eine Herabsetzung des pro Kopf-Haushaltes auf die geforderten 2000 Watt ist und bleibt jedoch unrealistisch. Ergänzende Massnahmen der Energieeffizienz sind bei Gebäuden, bei der Mobilität und bei Prozessen umsetzbar.