Performance Management: Leistung durch Anreize steuern

Urs Klingler, Gründer und Managing Partner der klingler consultants ag und Buchautor

Performance Management: Leistung durch Anreize steuern

Ralph Hofbauer

Ein professionelles Performance Management fördert die Leistung des Unternehmens und der Mitarbeitenden. Vergütungsexperte Urs Klingler sagt, was es im Umgang mit Leistungsanreizen, Leistungsindikatoren und Zielvereinbarungen zu beachten gilt. Das Interview wurde bereits 2015 geführt und ist in der Zeitschrift personal-schweiz.ch erschienen. Heute ist es aktueller denn je.

Herr Klingler, benötigt jedes Unternehmen, das erfolgreich sein möchte, ein Performance Management?

Urs Klingler: Das ist in erster Linie eine Frage der Haltung. Vorgängig stellt sich nämlich die Frage, ob die Leistung eines Unternehmens überhaupt beinflussbar ist. Wer dies nicht glaubt, der benötigt auch kein Performance-Management-System. Unternehmen, die hingegen überzeugt sind, dass Leistung lenkbar und beeinflussbar, also gewissermassen «machbar» ist, benötigen ein solches System. Performance Management steigert die Qualität von Dienstleistungen und Produkten und kann zum Beispiel auch die Informatik eines Unternehmens positiv beeinflussen. Wer zudem daran glaubt, dass das Humankapital ein entscheidender Wettbewerbsfaktor ist, der versucht, die Unternehmensleistung auch über die Messung und die Steuerung der Leistung der Mitarbeitenden zu verbessern.

Welche Komponenten umfasst ein professionelles Performance-Management-System?

In der Regel haben Firmen mehrere Performance-Management- Systeme. Viele Unternehmen setzen auf das Planungsund Managementinstrument Balanced Scorecard (BSC), um Kennzahlen mit der Vision und Strategie des Unternehmens auf übergeordneter Ebene zu erfassen und die Unternehmensleistung auf die strategischen Ziele auszurichten. Zudem gehören auch Controlling-Systeme zu einem professionellen Performance Management. Um die Performance der Mitarbeitenden zu messen und zu steuern, wird in der Regel das System Management by Objectives (MbO) – das Führen über Zielvereinbarungen – eingesetzt.

Ist das Führen mit starren Zielvereinbarungen in den unsicheren Zeiten, die wir gerade erleben, denn überhaupt noch zeitgemäss?

Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass zu dem Zeitpunkt, an dem die Zielvereinbarungen mit der untersten Ebene abgeschlossen werden, die Gesamtziele bereits überholt sind … Dass Ziele regelmässig diskutiert und an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden, ist zweifelsohne sinnvoll und je länger, je mehr auch zwingend nötig. Viele Unternehmen sind ja jetzt gerade dabei zu lernen, dass ihre Performance nicht nur von der eigenen Leistung abhängt, sondern auch vom Umfeld, der Marktlage und von Einflüssen, die ausserhalb des eigenen Beeinflussungsbereichs liegen. Ein aktuelles Beispiel ist die Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar 2014, ein Ereignis, das die Zielsetzungen von vielen Schweizer Unternehmen ins Wanken gebracht hat.

Welche Fehler werden in Bezug auf die Zielsetzungen in der Praxis häufig begangen?

Ich stelle in diesem Kontext verschiedenste Fehler fest. Zum einen sind die Zielvereinbarungssysteme häufig viel zu kompliziert und nicht stringent aufgebaut. Zum anderen sind vielfach verschiedene Personalprozesse wie Entwicklung, Feedback, Führung und Leistung im Zielvereinbarungssystem durchmischt. Hinzu kommt, dass die Führungsskills bei Führungskräften häufig zu wenig ausgeprägt sind. Ziele zu setzen, diese verbindlich zu vereinbaren und mit dem Mitarbeitenden zu besprechen, ist eine permanente und wichtige Führungsaufgabe. Da sehe ich viel Verbesserungspotenzial. Darüber hinaus ist die Koppelung des Performance-Management-Systems an die variablen Komponenten der Vergütung häufig willkürlich oder schwer nachvollziehbar. Dies führt für alle Beteiligten zu Irritationen und Missverständnissen. Auch hier gibt es grosses Entwicklungspotenzial. Die Annahme, dass alle Beteiligten Verbindlichkeit und Klarheit wollen, ist grundsätzlich jedoch falsch. Führungskräfte und Mitarbeitende haben zum Teil nämlich divergierende Zielsetzungen. Das heisst, dass sie ihre Verteidigungspositionen für den Misserfolg frühzeitig aufbauen.

Um die Leistung der Mitarbeitenden messen zu können, muss das Zielvereinbarungssystem mit einem Beurteilungssystem verbunden werden. Hierfür sind bestimmte Leistungsindikatoren nötig. Was gilt es bei der Wahl dieser Indikatoren zu beachten?

Viele Unternehmen haben leider nur wenig Wissen darüber, mit welchen Indikatoren Leistung ausgewogen gemessen werden kann. Häufig werden zu viele oder die falschen Indikatoren eingesetzt oder es werden zu viele qualitative Faktoren berücksichtigt. Solche «weichen» Faktoren sind grundsätzlich auch wichtig, jedoch schwieriger beurteilbar. Ausserdem gilt es, die jeweils relevanten Indikatoren für die jeweiligen Funktionen festzulegen. Dabei ist stets darauf zu achten, dass die Leistungsindikatoren objektiv messbar und nicht manipulierbar sind. Zudem sollten sie für die Mitarbeitenden nachvollziehbar sein, damit sie von diesen auch akzeptiert werden.

Die Leistungsbeurteilung führt häufig zu Konflikten zwischen der kurzfristigen und der langfristigen Zielerreichung. So können Mitarbeitende etwa durch das Unterlassen von Investitionen kurzfristige Ziele erreichen, dem Unternehmen dadurch aber langfristig Schaden zufügen. Wie lassen sich solche negativen Effekte verhindern?

Ja, solche Effekte treten tatsächlich häufig auf, denn zu viele Zielsetzungen verderben quasi den Brei. Kurzfristige Ziele führen dazu, dass der operative Betrieb und die Qualität auf einem hohen Stand bleiben, während sich die Leistung bei den längerfristigen Zielen – und teilweise auch die aktuelle operative Leistung – verschlechtert, weil Systeme und Prozesse angepasst oder systembedingt geändert werden müssen. Das ist ein permanenter Konflikt, der von den Mitarbeitenden und den Führungskräften in einem kontinuierlichen iterativen Prozess gemeinsam bewältigt werden muss. Wie viel Aufmerksamkeit diesem Prozess geschenkt wird, ist letztlich eine Frage der Prioritäten.

Leistungsanreize in Form von variablen Vergütungen können Mitarbeitende dazu motivieren, die vereinbarten Ziele zu erreichen. Eignen sich monetäre Anreize für Mitarbeitende in allen Funktionen?

Hier stellt sich die Frage nach dem Wert der jeweiligen Arbeit, also dem Wertbeitrag des Einzelnen zum Unternehmenserfolg. Dieser ist natürlich nicht für jede Funktion gleich einfach zu bestimmen, zudem sind die Präferenzen der Mitarbeitenden in Bezug auf die Vergütung sehr unterschiedlich. Bei den variablen Vergütungen gilt es zu berücksichtigen, wie die Menschen reagieren, wenn sie für eine Leistung Geld erhalten. Hier stellt sich die Frage: Wann wird dem Geld mehr Bedeutung beigemessen als den Interessen des Unternehmens? Mitarbeitende geraten aufgrund der in der vorangehenden Frage thematisierten Effekte immer wieder in solche Interessenskonflikte und entscheiden sich im Zweifelsfall häufig für den eigenen Profit. Spätestens seit der Debatte um die «Abzocker-Initiative» hat man das Gefühl, dass Leistung und Vergütung auf vielen Teppichetagen in keinem Zusammenhang stehen. 

Funktionieren Bonuszahlungen überhaupt noch als Leistungsanreiz?

Eine spannende Frage. Abgesehen vom Mehraufwand, der für die Unternehmen entstanden ist, hat die «Minder-Initiative» vor allem dazu geführt, dass die Löhne gestiegen sind. Das ist bei einer Erhöhung der Transparenz in der Vergütung ein voraussehbarer und bekannter Effekt. Der Kampf der Unternehmen um Talente und erfahrene Topmanager ist natürlich in sehr spezieller Wettbewerb, der nicht direkt mit der Leistung zu tun hat, sondern vielmehr mit marktfähigen Gesamtvergütungspaketen. Grundsätzlich ist es jedoch falsch, wenn variable Gehaltsbestandteile als garantiert deklariert werden. Durch die Abstimmungen an der Generalversammlung können variable Vergütungen auch prospektiv – das heisst auf die Zukunft ausgerichtet – bewilligt werden. Dies kann dazu führen, dass das bewilligte Budget auch zugeteilt wird. Dadurch entsteht ein gewisser Zwang, die bewilligten Boni auch bei einer ungenügenden Leistung auszurichten.

Welche Trends beobachten Sie in Schweizer Unternehmen zurzeit im Bereich der variablen Vergütung und wo sehen Sie noch Optimierungspotenzial?

Im internationalen Kontext ist die leistungsorientierte Vergütung längst gang und gäbe. Auch in der Schweiz hat sich die variable Vergütung mittlerweile in fast allen Branchen durchgesetzt, ausser bei der öffentlichen Hand. Leistungsbereite Mitarbeitende wollen am Erfolg teilhaben – wie auch immer dieser im Einzelfall definiert ist. Die Konzepte, Strukturen, Prozesse und die Qualität der Zuteilung müssen sich jedoch in fast allen Branchen weiter verbessern. Positiv ist, dass die rein diskretionären Konzepte, bei denen die variable Vergütung statt von objektiven Leistungsindikatoren von einer beurteilenden Instanz bestimmt wird, grösstenteils ausgedient haben. 

Das Mitarbeitergespräch, in dessen Rahmen die Leistungsbeurteilung stattfindet, wird vielerorts als lästige Pflicht wahrgenommen und gerät zurzeit zunehmend in die Kritik. Firmen wie Adobe oder Microsoft haben das Instrument mittlerweile abgeschafft und durch Alternativen ersetzt. Wie beurteilen Sie dieses Instrument?

Ich kann nachvollziehen, dass immer wieder über den Sinn von Mitarbeitergesprächen diskutiert wird und dass es teilweise mühsam ist, diese Gespräche zu führen. Positiv formuliert, ist dies eine weitere Möglichkeit, Führungsqualität zu verstehen und zu verbessern.  Natürlich stellt sich die Frage, wieso ich mich als Mitarbeitender mit meinem Vorgesetzten zusammensetzen soll, wenn das Gespräch keine Relevanz hat, weder für die Vergütung noch für meine Entwicklung oder meine Tätigkeiten. Wenn das Gespräch hingegen für alle diese Punkte relevant ist, macht es durchaus Sinn. Deshalb glaube ich, dass es vor allem von der konkreten Umsetzung im Betrieb abhängt, ob dieses Instrument als sinnvoll wahrgenommen wird.

Kann ein gezieltes Performance Management auch helfen, HR-Risiken zu minimieren?

Durchaus, da die Prozesse im Rahmen des Performance Managements die Personalplanung unterstützen. In vielen Unternehmen lassen es fehlende Kenntnisse der vorhandenen Funktionen nämlich nicht zu, eine funktionierende strategische Personalplanung zu etablieren, und dies ist ein nicht zu unterschätzendes Risiko für die Unternehmung. Deshalb gilt es, die leistungs- und entwicklungsbereiten Mitarbeitenden frühzeitig zu identifizieren und mit ihnen Entwicklungsmöglichkeiten zu besprechen und zu vereinbaren. Zudem sorgt ein gutes Performance-Management-System dafür, dass Mitarbeitende leistungsorientiert, marktgerecht und fair entlöhnt werden.

Ralph Hofbauer ist Redakteur bei der awp Finanznachrichten, www.awp.ch

 

Zur Person

Urs Klingler gründete 2010 die klingler consultants ag und leitet das Unternehmen als Managing Partner. Er engagiert sich seit vielen Jahren für die Messung des Wertbeitrags der Mitarbeitenden im Unternehmen und die Ausgestaltung von nachhaltigen Anreizsystemen. Nach dem Abschluss seines Studiums an der Universität Bern und einem Master in HR sowie Weiterbildungen bekleidete Urs Klingler verschiedene Personalfunktionen. Im Rahmen der letzten 25 Jahre Berufserfahrung als interner und als externer Berater und in diversen Führungsfunktionen sammelte er umfassende Kenntnisse und Erfahrungen in verschiedensten Industrien. Urs Klingler ist Lehrgangsleiter des CAS «Compensation & Benefits Management». Zudem ist er Autor der Bücher «Compensation & Benefits Management» und «Personalcontrolling & Performance Management» sowie zahlreicher Fachartikel.

Klingler consultants ag

Urs Klingler
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8048 Zürich
Telefon: 044 542 26 42
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