Schwyz – JA wieder selbstbewusst in die Eigenverantwortung

Nr. 22.8.2022-1 

Schwyz – JA wieder selbstbewusst in die Eigenverantwortung

22.August 2022, Bott, Bernhard Axel

Im «Bote der Urschweiz» vom Samstag, 19.8.2022 macht ein Artikel auf ein Phänomen aufmerksam: Wir Schwyzer lassen uns wohl unberechtigt ins Bockshorn jagen. Inwiefern?

Da stellt die Gersauerin Edith Camenzind, Präsidentin der Schwyzer Bäuerinnenvereinigung (https://www.baeuerinnen-sz.ch/) mit Bedauern fest, dass «Stadtkinder» «Bauernkinder» mobben und sich mit arroganten Umwelt- und Klimaklischees  über sie stellen:

«Ich finde es einfach mühsam und umständlich, dass wir Bauersleute uns immer wieder verteidigen und rechtfertigen müssen. Das belastet viele Bauernfamilien stark, nicht nur die Bäuerinnen. Vor allem im Tal haben sie damit zu kämpfen. Traurig finde ich vor allem, dass die Kinder in der Schule gemobbt werden. Das stimmt mich nachdenklich.»

Der «Bote» fragt berechtigt nach, wie sich denn dieses Mobbing äussern würde?

Camenzind: «Man beschimpft die Kinder, sie seien Tierquäler, Luftverpester und würden die Umwelt unnötig belasten. Das geht so weit, dass die Kinder keine Lust mehr haben, die Schule zu besuchen.»

Auch im Kanton Schwyz? fragt der «Bote» nach.

«Ja, es käme immer häufiger vor. Aber im Vergleich zum Mittelland oder zu städtisch geprägten Gebieten ginge es uns hier im Bergland diesbezüglich noch gut!»

Ok, unter Jugendlichen gibt es den Wettbewerb des verbalen Schlagabtausches, in dem sich durch Provokation eine gesunde Abgrenzung und Selbstbehauptung für das spätere Leben entwickelt.

Ich erinnere mich selbst an solche Wettstreitereien im Schulbus, bei dem die gröbste «Anschuldigung» gleichzeitig auch der beste Kalauer (schlechter Witz) war. Er brachte dem Absender sogar hohe Bewunderung und Respekt für eine eigentlich respektlose Herabwürdigung ein. Es war eine Auszeichnung der Schlagfertigkeit, die man natürlich mit noch schlimmeren Ausdrücken zu toppen suchte und sich darin fleissig übte. Meist haben diese gegenseitigen Beleidigungen sowieso nur in Gruppen stattgefunden, weil Publikum wichtig war, um Punkte zu sammeln.

Ein Kalauer ist mir im Gedächtnis geblieben, als wir gegenseitig über unseren Herkunftsort  frotzelten. Mir als Bergbub wurde nachgesagt, dass hinter dem Letzten der ins Dorf ginge, sofort  die Mauer hochgeklappt würde, um die Welt vor uns Affen auf den Bäumen zu bewahren. Ich weiss allerdings nicht mehr, welche Bosheit ich daraufhin äusserte. Eins wusste ich allerdings schon, wir waren uns niemals böse deswegen, im Gegenteil. Die Lust auf den Schulweg schmälerte es nicht, wir waren eher gespannt, welche Gemeinheiten uns am nächsten Tag einfalllen würde. Keinem von uns wäre die Idee gekommen, zuhause über diese Händel zu klagen oder uns vor der Schule zu fürchten. Wir hatten das stets unter uns ausgemacht, bis hin zu Raufereien, bei denen es auch mal kräftig auf die Nase gab. Oder auch oft vorgekommen, das Abpassen und verprügeln. 

Darüber wurde zuhause nie geklagt. Denn es erübrigte sich, am nächsten Tag kam der Andere dran und holte sich die unerwartete aber höchst verdiente Dresche. Ausgleichende Gerechtigkeit. 
ich höre schon den Aufschrei der Gewaltverherrlichung. Nein diese weise ich weit von mir. Es geht um den Respekt vor der eigenen Kultur und einer natürlichen Abgrenzung. Wer das nicht lernt, hat im Leben später einige Probleme.

Gehen wir heute zu weinerlich mit solchen Abgrenzungen um, sind Kinder nicht mehr in der Lage sich gegenseitig wohlverdient eine «aufs Maul» zu hauen? Wie lernen sie später in anderen Situationen umzugehen, die gewisss nicht zimperlich zu ihnen sind, in der Berufslehre, im Studium oder spätestens im Wettbewerb um eine begehrte Braut? Die Händel müssen ja nicht immer handgreiflich werden, allein ihre verbale Abgrenzung ist bereits ein gesundes Zeichen des Erwachsenseins. Hier gilt bereits früh vorausschauend zu lernen, selbstbewusst aber gleichzeitig achtsam zu sein. Achtsam darin, diese Phasen des Lernens eigenverantwortlich zu begleiten. Zum Eigenwohl ja, aber nicht, dass damit anderen Schaden zugefügt werde.

Dies scheint allerdings die berechtigte Sorge von Edith Camenzind zu sein, dass die Verhältnismässigkeit aus dem Ruder gelaufen ist. Es geht nicht mehr um das Necken und sich wieder vertragen, sondern, um die Selbsterhöhung in der Ideologie und Abwertung unserer kulturellen Basiswerte.

Ich darf es ganz krass sagen, ohne die Land- und Forstwirtschaft (beide zusammen machen nicht umsonst den ersten Wertschöpfungsfaktor im BIP unseres Kantons aus), wären alle anderen Sektoren, wie Industrie, Gewerbe, Handel und Tourismus oder unsere Ernährung gar nicht erst möglich. Allein die unverzichtbare Arbeit der Korporationen, Genossamen und Allmeinds schaffen eine Grundlage der Wald- Land- und Seenutzung, sorgen durch ihre Bestandspflege für Verfügbarkeit von Kulturland zur Bewirtschaftung. Sie prägt entscheidend unseren Landschaftscharakter des Kantons und sichern den Tourismus.

Es ist eine Ehre sich dieser Landschaft bewusst zu sein, sich ihrer zu widmen, sie wertzuschätzen und im Zusammenspiel von Wissen, Knowhow, viel Fleiss, harter Arbeit, maschinellem Einsatz und manchmal übermenschlicher Ausdauer zu kultivieren, damit viele Produkte erst möglich sind.

Z.B. Gebäude, Möbel, Produkte, Heizmaterialien aus Holz, landwirtschaftliche Erzeugnisse an Fleisch, Milchwaren, Obst, Gemüse, Getreide, Backwaren, Blumen, Gestecke, Trinkwasser, frei Felder und Wiesenflächen, begehbare Wälder, Steh- und Fliessgewässer, ein natürliches Paradies, einzigartig schön und als eine Perle des Landes Schweiz, das und mit seinen verschiedenen Kantonen unter anderen Ländern höchste Auszeichnung geniesst.

Dies kommt nicht von ungefähr, es braucht die Kultur der ländlichen Gesellschaft, die Ausbildung, ein sich stets weiterentwickelndes Berufsleben und Technologien. Leider ist es so, dass der Druck der Lebensmittelverteilung und landesweiten Versorgung (bis hin zum Export und Import), auch industrielle Ausmasse in der Produkterzeugung und Logistik erfordert. Daran hängen sehr viele Dienstleistungs- und Arbeitskräfte. Es ist auch nicht zu versäumen, auf besondere Problematiken hinzuweisen, was die Mengenbewirtschaftung und ihre Hilfsmittel anbelangt. Wo ein hoher Versorgungsdruck herrscht, ist die Warenerzeugung und -beschaffung effizienten Kriterien unterworfen. Seien es chemische, biologische oder hygienisch behandelnde Verfahren, welche aus Erzeugersicht unabwendbar, aus Verbrauchersicht unerträglich anmuten (oder sogar verlangt werden, wie ein vollkommen schön aussehenedes Produkt).

Aber deswegen den Bauernstand zu diskreditieren und schlecht zu reden, zeugt von mangelndem Differenzierungsvermögen und einer Blindheit gegenüber Zusammenhängen. Ich wollte die Familien sehen, welche ihren Kindern das heile Leben einer Klimawattebefindlichkeit einreden, wenn es plötzlich all diese Annehmlichkeiten eines vollen Kühlschranks, frisch vom Markt, Abenteuer auf dem Bauernhof nicht mehr gäbe. Rümpfen sie dann immer noch die Nase? Ja sie tun es – leider – aber im Unverständnis über die Sachlage. Sie klagen, wenn im Supermarkt die Ware fehlt und eine gesunde Ernährung nur noch gestern war. Wenn selbst auch Importe ausfallen und aus Not zu Konserven gegriffen wird. Wer ist dann von wem abhängig? Dann werden die Städter wieder bei den Bauern anstehen und sich klein in die Reihe einfügen.

Um dieses Selbstbewusstsein geht es. Der Bauernstand sollte sich dessen genauso bewusst sein, dass es ohne ihn keine feine Pausenschnitte mit frischer Milch gibt, wie die sich gerne gebende arrogante und ignorante Elite, die immer alles und sofort haben will. Es sollte auch jedes feine Dinner in bester Gesellschaft originar nach Natur, Geschmack und Gou ausgerichtet sein dürfen.

Dabei darf auch in der feinsten Gesellschaft der Groschen fallen, ohne die Land- und Forstwirtschaft sässe keiner am Tisch, weil die Teller und Gläser leer wären.

Bauerneltern dürfen und sollen sogar ihre Kinder ermutigen, gegenüber den meist verzogenen Mitgenossen und Genossinen auch mal frech sein zu dürfen und sagen was Sache ist. Kommt dennoch der kleine Albin oder das Kati heulend nach Hause, wäre es kein Fehler, gemeinsam eine Strategie zu besprechen, wie sie sie sich gegenüber den aufgeblähten Möchtegernen durchsetzen und sie wieder auf den Boden holen.