Versorgungssicherheit in der Energiepolitik

Wohnen im Kraftwerk. Integrierte Voltaik in der Fassade und auf dem Dach. Mehrfamilienhaus in Bennau. Foto © :Axel-B. :Bott

Versorgungssicherheit und Klimaschutz in der Energiepolitik

Arthur Nauer, Abteilungsleiter Energie und Klima, Kanton Schwyz, Katrin Leuenberger, Abteilung Energie und Klima, Kanton Schwyz

Die Energieversorgung der Schweiz ist komplex: Sie muss Stabilität und Versorgungssicherheit garantieren und gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende leisten. Zudem ist die Energieversorgung auch eng mit Europa verbunden – die Herausforderungen sind gross.

Die Energiepolitik zwischen Energiewende, Klimawandel und staatspolitischen Reibungen

Die Energieperspektiven 2050+ und die langfristige Klimastrategie geben auf nationaler Ebene die Ziele vor, welche die Schweiz mit ihrer Energie- und Klimapolitik verfolgt. In Kombination mit dem Atomausstieg, der fortschreitenden Elektrifizierung der Mobilität und der Wärmeversorgung sowie der klimapolitischen Zielsetzung stellt dies die Schweizer Energiepolitik vor grosse Herausforderungen. Der international eng verwobenen Energieversorgung werden zudem auf politischer Ebene weitere Steine in den Weg gelegt. Die Europäische Union hat das Stromabkommen an die Bedingung geknüpft, dass das institutionelle Rahmenabkommen zustande kommt. Weil der Bundesrat im Mai 2021 die Verhandlungen zum Rahmenabkommen abgebrochen hat, wurde folglich das Stromabkommen auf unbestimmte Zeit vertagt. Während sich der europäische Strom-Binnenmarkt nun mit den neuen Regeln des «Clean Energy Package» weiterentwickelt, bleibt die Schweiz bei diesen Verhandlungen aussen vor. Die Netzstabilität sowie die Importfähigkeit der Schweiz sind dadurch gefährdet – der zügige Zubau der erneuerbaren Stromproduktion, vor allem im Hinblick auf die Winterstromlücke, muss deshalb von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft prioritär vorangetrieben werden.

Gefährdung der Versorgungssicherheit

Angesichts der staatspolitischen Entscheidungen hat der Bund im Oktober 2021 eine Stromversorgungsanalyse veröffentlicht, welche hohe Wellen geworfen hat. In einem der drei Szenarien könnte bei einer Verkettung von unglücklichen Umständen bereits in wenigen Jahren eine Strommangellage entstehen: während 47 Stunden könnte der inländische Strombedarf im März nicht vollständig gedeckt werden. Dies unter anderem weil die EU-Staaten ohne Stromabkommen nicht verpflichtet wären, der Schweiz Strom zu liefern. Bei Gefahr einer Mangellage ruft der Bundesrat zuerst zu freiwilligen Einschränkungen auf. Wenn das nicht reicht, gibt es Verbrauchseinschränkungen im Freizeitbereich – so würden zum Beispiel Saunas oder Skilifte stillgelegt. Als nächstes würde der Strom für die Grossverbraucher kontingentiert. Fabriken dürften dann beispielsweise nur noch reduziert produzieren. Das Ziel dieser Massnahmen ist die Vermeidung eines kompletten Stromausfalls. Dieser würde die Schweizer Wirtschaft gemäss Hochrechnungen mindestens zwei bis vier Milliarden Franken pro Tag kosten. Grob umgerechnet auf den Kanton Schwyz ergäbe das Kosten von 40 bis 80 Millionen Franken – pro Tag.

Versorgungssicherheit durch Steigerung der Energieeffizienz und Ausbau der Photovoltaik 

Es gibt aber durchaus Optionen, um eine Strommangellage abzuwenden. Ein Blick auf die Wirtschaft ist dabei instruktiv. Die erste Handlungsoption, die Unternehmen ergreifen können, ist seit langem bekannt: die günstigste Energie ist die, die man gar nicht erst verbraucht. Die Umsetzung von wirtschaftlichen Massnahmen und Prozessen, die Strom und Energie einsparen, können teilweise bereits mit nur kleinem Initialaufwand umgesetzt werden. Die Cleantech Agentur Schweiz (act) und die Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) unterstützen dabei im Auftrag des Bundesamts für Energie die Unternehmen. Wirtschaftlich bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich Veränderungen im Produktionsprozess nach maximal vier Jahren finanziell auszahlen. Investitionen in die Infrastruktur – also zum Beispiel der Einsatz einer effizienteren Lüftungsanlage oder die Dämmung eines Dachs – gelten als wirtschaftlich, wenn sie nach acht Jahren profitabel sind. Die zweite Handlungsoption wurde dank einem massiven Kostenrückgang in den letzten Jahren finanziell interessant: die Eigenstromproduktion, insbesondere mit Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen). Dank gesunkenen Installationskosten, den Fördergeldern des Bundes und dem Wegfall der Netznutzungskosten bei Eigenstromnutzung ist der Bau einer eigenen PV-Anlage für Unternehmen wirtschaftlich interessant. Zudem produzieren PV-Anlagen tagsüber Strom, was oftmals auch dem Stromnachfragemuster von Unternehmen entspricht.

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Standortbestimmung des Kantons bezüglich der Energiestrategie 2013-2020

Der Kanton Schwyz hat bereits für die Periode 2013 bis 2020 eine Energiestrategie formuliert und kürzlich ermittelt, inwiefern die gesteckten Ziele erreicht wurden.

– Der Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion hat zwar stattgefunden, jedoch nicht im angestrebten Ausmass.

– Auch die anvisierte Verdoppelung des Anteils an lokaler, erneuerbarer Wärme wurde nicht erreicht.

– Der Gesamtenergieverbrauch auf Kantonsgebiet hat stagniert, obwohl eine deutliche Reduktion angestrebt wurde. 

– Im Hinblick auf die CO2-Emissionen konnte von 2013 bis 2020 eine leichte Reduktion der Emissionen erreicht werden. Die CO2-Reduktion pro Kopf liegt jedoch deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt. 

Diese Ausführungen zeigen, dass die Anstrengungen auf allen Ebenen verstärkt werden müssen. 

Erster Schritt: Energieperspektiven und PV-Potenzial 

Der Kanton Schwyz liess auf Basis der Energieperspektiven 2050+ des Bundes Prognosen für die kantonale Entwicklung betreffend Strombedarf erarbeiten. Die Prognosen unterscheiden zwischen dem Szenario «Weiter wie bisher» und dem Szenario, welches der nationalen Zielsetzung von Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 entspricht. Während der Stromverbrauch im Szenario «Weiter wie bisher» relativ wenig ansteigt, steigt der Stromverbrauch im zweiten Szenario stark an. Um die anvisierte Reduktion der CO2-Emissionen im Szenario «Netto-Null» zu erreichen, werden so unter anderem Autos mit Verbrennungsmotoren flächendeckend durch Elektrofahrzeuge und Öl- und Gasheizungen durch strombetriebene Wärmepumpen ersetzt. In diesem Szenario benötigt der Kanton Schwyz im Jahr 2050 fast doppelt so viel Strom wie heute, was insgesamt rund 1 600 GWh pro Jahr entspricht. Die Hochrechnungen gehen davon aus, dass gut die Hälfte des Strombedarfs im Jahr 2050 mit PV-Strom zu decken ist. Heute werden im Kanton Schwyz pro Jahr etwa 60 GWh PV-Strom produziert. Bis im Jahr 2050 müssten es mit ca. 800 GWh pro Jahr rund 13-mal so viel sein wie heute. Zum Vergleich: in den letzten Jahren wurden durchschnittlich PV-Anlagen mit einer Leistung von ungefähr 7 MW pro Jahr installiert. Wenn die Ausbauziele erreicht werden sollen, müssen es jährlich viermal mehr sein – und das jedes Jahr bis 2050. Im Kanton Schwyz gibt es gemäss dem Verband unabhängiger Energieerzeuger (VSE) ein Solarstrompotenzial auf Dächern und geeigneten Fassaden von rund 1 230 GWh/Jahr. Das Potenzial liegt somit deutlich über dem prognostizierten Zusatzbedarf bis 2050 im Szenario «Netto-Null». Konkret bedeutet das: das Netto-Null-Ziel 2050 ist im Kanton Schwyz in Bezug auf den PV-Zubau erreichbar. 

Zweiter Schritt: das neue Energiegesetz im Kanton Schwyz 

Auch das revidierte Schwyzer Energiegesetz, welches voraussichtlich im Mai 2022 in Kraft tritt, trägt zu einer höheren Energieeffizienz und zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energieträger bei. So müssen zum Beispiel beim Heizungsersatz neu mindestens 10 Prozent des Bedarfs mit erneuerbarer Energie gedeckt werden. Bei (Ersatz-)Neubauten muss auf dem Dach ein definierter Anteil PV-Strom erzeugt werden. Damit Strom nur noch effizient genutzt wird, müssen zudem bis 2050 alle zentralen Elektroheizungen ersetzt werden. Dies betrifft im Kanton Schwyz rund 3 000 Elektroheizungen in Wohnbauten sowie gut 13 000 Warmwasseraufbereitungsanlagen. 

Dritter Schritt: die neue Energie- und Klimastrategie des Kantons

Um die Herausforderungen im Bereich der Energieversorgung und im Bereich Klimaschutz zielgerichtet anzugehen, erarbeitet der Kanton derzeit eine Energie- und Klimastrategie. Der Kanton will so Wege aufzeigen, wie die nationale Zielsetzung Netto-Null bis zum Jahr 2050 erreicht und gleichzeitig die sichere und stabile Energieversorgung garantiert werden kann. Dabei werden wichtige Akteure wie Energieversorger oder Gemeinden bereits frühzeitig einbezogen. Neben dem Klimaschutz soll die Strategie auch Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel enthalten. 

Fazit: alle Akteure sind in der Pflicht

Der Kanton unterstützt die Gebäudeeigentümer weiterhin über das Gebäudeprogramm, dessen Budget im Jahr 2020 von der Schwyzer Stimmbevölkerung aufgestockt wurde. Der Bund arbeitet mit EnAW und act zusammen, damit den Unternehmen kompetente Ansprechpartner zur Erhöhung ihrer Energieeffizienz und der Reduktion von Treibhausgasemissionen zur Seite stehen. Zudem fördert der Bund PV-Anlagen mit Investitionsbeiträgen. Nun ist es an den Unternehmen, aber auch an den Privatpersonen und der öffentlichen Hand, diese Angebote und Chancen zu nutzen. Investitionen in Energieeffizienz und in die Eigenstromproduktion lohnen sich nicht nur finanziell, sondern verbessern auch die Nachhaltigkeitsbilanz der Unternehmen. Zudem trägt jede installierte PV-Anlage zur Stärkung der Versorgungssicherheit bei.

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Einige Zusammenhänge von Energie- und Klimapolitik und von CO2-Reduktion und Stromnachfrageanstieg; Bildquelle: Interface Politikstudien